Große Kessel, großer Sound?

“Männergrößen” bei Schlagzeugen sind insbesondere im Kreise von Rock Drummern angesagt. Klar geht es hier auch ein wenig um die Show. Andererseits halten sich aber auch gewisse Mythen um die Korrelation von Trommel-Durchmesser und -Tiefe und dem, wie man einen fetten Drumsound erreicht. Größere Trommeln klingen fetter, meint man, und tiefe Kessel gäben auch einen tieferen, satteren Sound. Stefan Korth von Adoro Drums räumt im folgenden Artikel einmal mit diesen Urban Legends des Schlagzeugsbaus auf.

Warum kleinere Kessel in der Regel fetter klingen!

Natürlich klingt ein 8″ Tom höher als eine 28″ Bassdrum. Der Durchmesser einer Trommel verändert aber nicht nur die Tonhöhe einer Trommel bei gleicher Fellspannung, sondern auch den Anteil von Ton und Attack. Generell kann man sagen, dass kleine Kessel einen deutlich definierteren Ton haben, während der Attack mit wachsendem Durchmesser zunimmt und immer dominanter wird. Dazu kommt, dass tiefere Töne schlechter wandern als hohe. Das hat zum Resultat, dass eine kleine Floortom in einigen Metern Entfernung deutlich fetter klingt, als eine grössere. Hier mag der Drummer, nah am Kessel, noch einen fetten, warmen Sound heraus hören, der versiegt aber sehr schnell und wird vom dominanten Attack überlagert. Das ist einer der Gründe, warum Drums in aller Regel mikrofoniert werden, egal, wie klein der Event. Ohne Mikrofone klingen große Kessel erst einmal dünner als kleinere.

Tiefere Kessel klingen nicht “tiefer” sondern einfach lauter.

Kommen wir zur Kesseltiefe: Tiefere Kessel klingen nicht tiefer, Drums sind ja nun keine Orgeln, sondern die Tonhöhe wird durch den Durchmesser und die Stimmung bestimmt. Erst wenn die Tiefe eines Kessels ein Vielfaches des Durchmessers betrüge, würde dies tatsächlich auch die Tonhöhe der Trommeln modulieren. Octobans beispielsweise sind so konzipiert. Größere Tiefen bedeuten allerdings zweierlei: mehr Richtwirkung des Sounds (-lauter!) und mehr Dämpfung der Felle. Denn ein Liter Luft hat ca. 1.3g mit denen das Schwingen der Felle gebremst wird. Je tiefer der Kessel, desto größer die Dämpfung und deren Resultat nämlich ein perkussiverer Klang (weniger definierter Ton, mehr Attack). Da der Sound durch das Ausbremsen der Felle nun weniger Obertöne hat, empfinden wir ihn subjektiv als tiefer, tatsächlich erreichen wir aber denselben Effekt auch durch ein manuelles Dämpfen, z.b. mit Moongel.

Große Drums sind subjektiv lauter

Große Drums, vor allem mit tiefen Kesseln, werden als laut empfunden, da sie, obwohl sie gegebenenfalls tiefer gestimmt sind, einen stärkeren Attack haben (dieser liegt bei ca. 2-3kHz) und der tonale Anteil (das „Fette am Sound“ ) im Verhältnis leiser ist. Nun könnte man sagen: Egal, das machen wir mit der Mikrofonierung wieder wett. Immerhin bekommen wir durch Nahabnahme der Trommeln den sogenannten Nahbesprechungseffekt, der für einen angenehmen Boost der Bässe und tiefen Mitten sorgt. Das stimmt, aber es gibt noch einen weiteren Grund, warum kleinere, kürzere Kessel großen und tiefen überlegen sind:

Der “Warm Tuning” Effekt

Wenn ich Drums stimme, gibt es bei Trommeln mit Resonanzfell drei Möglichkeiten: Ich kann sie resonant stimmen – beide Felle auf den selben Ton; ich kann sie flach stimmen – Schlagfell höher als das Reso; oder ich kann sie warm stimmen (Reso höher als das Schlagfell). Wenn ich nun zwischen Grundton (Schlagfell) und Reso eine Quinte liegen habe, entsteht ein harmonischer Schwebeton, der dieser Stimmung ihren Namen gibt. Dieser liegt nämlich eine Oktave unter dem Grundton. Und hier erklärt sich nun auch, warum kleinere Drums tatsächlich akustisch sowie abgenommen fetter klingen als große Drums:

Sagen wir, wir stimmen eine 14″ Floortom auf 100Hz und das Reso eine Quinte höher auf 150Hz. Dann liegt der harmonische Schwebeton bei 50hz! Jetzt könnte man meinen, dass es logisch wäre, dass ein größerer Kessel, tiefer gestimmt, auch noch fetter klingen müsste. Da haben wir aber die Mathematik vergessen: Denn, wenn wir hier von Oktaven sprechen, wandert der Schwebeton relativ schnell aus dem für Menschen hörbaren Bereich heraus. Eine auf 60Hz gestimmte Tom, oder eine Bassdrum bei 40Hz, würde ihren Schwebeton bei 30  bzw. 20Hz erzeugen. Also sehr nahe an der Grenze unseres wahrnehmbaren Frequenzbereichs. Zudem brauchen solch tiefe Töne deutlich mehr Energie, weshalb wir diese sehr tiefen Schwebetöne, wenn überhaupt, nur noch extrem leise wahrnehmen würden.

Das Problem der Nahabnahme

Nun könnte man mit Mikrophonen nachhelfen. Bei modernen Stage Drums wird oft sehr close mikrofoniert. An einer Trommel kann man so nur den tatsächlich gestimmten Ton abnehmen, dessen Schwebeton aber, der aus dem Zusammenklingen der beiden Felle entsteht (sowie auch aus dem Zusammenklingen mehrerer Toms) kann man eigentlich erst in einiger Entfernung zur Trommel abnehmen. Je tiefer, desto weiter entfernt. Da große Drums sehr viel Attack haben und akustisch etwas dünner klingen, eignen sie sich daher auch weniger für die Abnahme durch Raummikrofone. Da würde man vor allem den Attack aufnehmen, daher nutzt man hier den Bass- und Mittenboost der Nahbesprechung bei dynamischen Mikrofonen. Aber es kann nur geboostet werden, was auch in solcher Entfernung vorhanden ist. Die Schwebetöne werden so nicht abgenommen. Im Resultat kann man so ein Schlagzeug zwar laut und druckvoll abmischen, aber die wirklich tiefen Frequenzen sind so kaum einzufangen.

Kleine Trommel fetter Sound?

Die Größe der Trommeln hat also wenig Auswirkung darauf, wie fett deine Drums klingen. Das Verständnis um diese physikalischen Eigenschaften ermöglicht, dass kleinere Drums, wenn richtig gebaut und gestimmt, größer klingen als tatsächlich große Trommeln, denn letztere benötigen für ihren vollen Klang auf jeden Fall immer Mikrofonierung. Durch den Nahbesprechungseffekt wird dann zwar der dünnere Klang ausgeglichen, man kann aber nur boosten was auch da ist, und daher reichen kleineren Drums in warmer Stimmung wesentlich tiefer als größere Kesseln. Das ist nicht nur ein Vorteil in akustischen Situationen – dein Kit klingt auch akustisch bereits einfach fetter, sondern durch entsprechende Mikrofonierung kann man auch die tiefen Schwebetöne gut einfangen. Beispielsweise auch über das gezielte Ausnutzen von Übersprechen zwischen den Mikrofonen.   

Ein gutes Beispiel für Kits, die trotz oder gerade aufgrund ihrer kleinen Kessel sehr fett und voll klingen, sind die Worship Series Drums von Adoro:

https://www.customdrums.de/de/shop/drums/worshipseries

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